Was die Beziehungswelt zusammen hält

Es gibt die unterschiedlichsten Arten von Beziehungskit. Für die meisten ist es Liebe, so hört man in Umfragen. Das Problem an der Liebe ist, sie ist vergänglich. Als eher sicherheitsorientierter Mensch würde ich meine Beziehung nie auf solch wackelige Beine stellen.
Da setze ich lieber auf Leiden. Man könnte dieses Phänomen unter dem Begriff Kreuzritter-Effekt zusammenfassen. Man lernt einen Partner kennen, findet sich sympathisch und eines Tages beschließt man gemeinsam den heiligen Gral zu suchen. Man macht sich auf den Weg und überwindet Hindernis nach Hindernis, hilft sich gegenseitig und bringt so manchen Ungläubigen zur Strecke. Nach mehreren Jahren der erfolglosen Suche, ahnt man zwar, dass man den Gral nicht finden wird, lässt sich aber nicht davon abhalten tapfer weiteren Abenteuern entgegen zu reiten. Dabei schwelgt man nicht andauernd in Harmonie, nein, es müssen auch Ritterkämpfe überstanden werden.
So einen Kampf hatten wir gestern Abend, als wir vom Keller der Nachbarin einen Crosstrainer in unsere Wohnung befördern wollten. Gut 90 Kilo wiegt das Gerät – was an sich nicht so schlimm wäre – nur leider ist es ungefähr so handlich wie ein Klavier.
Da steht man zu zweit noch vor Eintritt ins eigene Treppenhaus verkantet zwischen Wand und Treppe und spürt, wie sich der rechte Griff der Sportmaschine tief in das eigene Gedärm drückt, während der Partner munter von der anderen Seite mit aller Kraft weiter schiebt.
In jenen Momenten, in denen zusätzlich das Kreuz schmerzt und man glaubt einen Hexenschuss zu bekommen, schreit man den unterdrückten Frust der letzten Wochen durch das Treppenhaus und auch der Partner nutzt die Gunst der Stunde und fährt den in der Zwischenzeit hochgewuchteten Crosstrainer punktgenau über die falsch platzierten Füße. Er brüllt „Entschuldigung“ doch in seinen Augen sieht man, das war kein Versehen.
Treppe um Treppe schleppt man sich den Wuttränen nahe der eigenen Entkräftung entgegen, während man vielleicht in einer Zwischenetage die sich bietende Chance nutzt und den Partner auf der eigenen Schweißpfütze zum Staucheln bringt.
Wie eine gigantische Bohrschraube, die ihren Weg durch das Gestein Meter um Meter auf dem Weg nach einem Erdölfund bahnt, bewegt man sich durchs Treppenhaus. Den Crosstrainer hassend, sich hassend, den Partner hassend.
Kommt in der 6. Etage dann endlich die eigene Wohnungstür in Sicht, so weicht die Aggression, Glückshormone werden über den Hypothalamus freigesetzt, man blickt den Partner mit den blutunterlaufenen Augen an und fällt ihm weinend in die Arme. Es ist geschafft! Wir haben es geschafft! Gemeinsam! Man schwört sich schlangenzüngig ewige Liebe und meint damit, dass niemand von beiden den sperrigen Klotz jemals wieder runter schleppen will.

Und für die, die es weiterhin Liebe nennen wollen: Liebe ist eine Fehlinterpretation physiologischer Erregung!

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23 Gedanken zu „Was die Beziehungswelt zusammen hält“

  1. Sollte es mich irritieren, dass mein Freund damals das erste Mal „Ich liebe dich“ sagte, nachdem wir eine anstrengende Münster- und Schlossbergbesteigung hinter uns hatten?

  2. Bin froh dass ich Kaffee trinke, so kann ich mir immer vor machen, ich liebe meinen Freund, denn er ist der einzige Mensch der mir am Tag begegnet, somit habe ich keine Probleme mich in irgendeine missliche Lage zu bringen.
    Physiologische Erregung finde ich interessant, doch ab einem gewissen Punkt sind es die ausgestoßenen Hormone die einen Anziehen, wie z.B. wenn der Freund beim Sport war, wiederkommt und stinkt wie ein Elch, wie sexy!

  3. Was die „Beziehnungswelt“ jetzt zusammen hält, hab ich leider in dem Artikel nicht erfahren.

    Was die Beziehungswelt betrifft, kann ich den Teamgedanken nachvollziehen.

  4. Klabauter: Aufzug! Sowas haben wir im Osten nicht. Das gibts nur in Charlottenburg, da wo die Journalisten, freischaffenden autoren und abgehalfterten Professoren wohnen. Wir im Osten sind ehrliche Menschen mit Treffen.

    Neee Jenny. Kann ma nich. Is alles festgeklopft. Das is noch aus der Zeit in der man keine Schraubgewinde kannte.

  5. Äh, man kann diese Dinger in wenigen Minuten auseinander schrauben. In handliche, leicht zu transportierende Einzelteile. Was soll der Blödsinn mit dem 90kg am Stück?

  6. Momentan bin ich noch nicht ganz schlüssig, ob die herzerfrischende Lektüre des Beitrags oder die bisherigen Kommentare für die meisten Lacher verantwortlich sind.

    Das Leben ist schön. :D

  7. In Eurem Fall musste ich bei der langen mittelalterlich inspirierten Einleitung eigentlich die ganze Zeit an die Ritter der Kokosnuss denken…

    …und wo wir schon beim freien Assoziieren sind: Bei flüchtigem Hinsehen erinnert der Hometrainer an ein Hirschgeweih. Oder eine Schnecke.

    … aber, nach längerem Grübeln, ähm: Was wollt Ihr eigentlich damit?

  8. latte am abend oder in der nacht ist auch ein beziehungskit! viele beziehungen scheitern an
    einer dysfunktionalen störung der durchblutung!

  9. Besser wäre das Wasser vom 8. Stock im Hof per Handpumpe holen, hochrennen, Kaffee machen, dabei ein Paar Liegestützen, aufs Fahrrad schwingen, einhändig in maximaler Geschwindigkeit durch den Berufsverkehr, Kaffee trinken und wieder hoch zur Liebsten.

  10. Nunja Fehlinterpretation physiologischer Erregung bedeutet. Aus irgendeinem Grund ist man physiologisch erregt (Blutdruck ist hoch gegangen, Puls/Herzschlag ebenfalls, man schwitzt, etc.) z.B. weil man Fahrrad gefahren ist oder zu viel Kaffee getrunken hat. Just in diesem Moment kommt ein Objekt vorbei, welches den gänigen Attraktivitätsstereotypien entspricht und plötzlich nimmt man seine eigene physiologische Erregung wahr und schreibt sie dem Erscheinen des Objekts zu. Fälschlicherweise. Denn das Herz klopft nicht vor Liebe sondern vor Koffein.

  11. erst kürzlich wurde ich über das verb-präfix „ver“ aufgeklärt und jetzt sagen sie das liebe nur eine fehlinterpretation physiologischer erregung ist (was sie übrigens mal genauer erklären müssen).
    was sind denn alle so unromatisch ehrlich in letzter zeit?

  12. puh und ich dachte schon das hätte was mit echten mensch zu mensch emotionen zu tun.
    gott sei dank bin ich mit einer psyche zusammen..
    Das rettet mich vor falschen vorstellungen
    ich bin so froh!

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